Evidenzbasierte Medizin

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Der folgende Textabschnitt basiert auf dem Artikel „Evidenzbasierte Medizin“ aus Wikipedia, gelesen am 19.9.18, und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist auf der vorgenannten Seite eine Liste der Autoren verfügbar. Textanpassungen und -änderungen sind möglich und wurden zum Teil nötig, weil die Darstellung in der Wikipedia nicht immer der Information, sondern der Verbreitung bestimmter Meinungen dient/e und/oder inhaltlich unvollständig, tendenziös oder verzerrt war/ist.

Evidenzbasierte Medizin (EbM, von englisch evidence-based medicine (EBM) „auf empirische Belege gestützte Heilkunde“) ist eine jüngere Entwicklungsrichtung in der Medizin, die ausdrücklich die Forderung erhebt, dass bei einer medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen nach Möglichkeit auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden sollen. Die wissenschaftliche Aussagefähigkeit klinischer Studien wird durch Evidenzgrade beschrieben. Die Evidenzbasierte Medizin soll eine „patientenzentrierte Wissenschaftlichkeit“ fundieren.[1]

Die Bezeichnung wurde Anfang der 1990er Jahre von Gordon Guyatt (* 1953) aus der Gruppe um David Sackett an der McMaster University, Hamilton, Kanada, im Department of Clinical Epidemiology and Biostatistics geprägt.[2] Im deutschen Sprachraum wurde über das Konzept erstmals 1995 publiziert,[3] wobei die Verfasser bei der Übertragung ins Deutsche einem "falschen Freund" (Fehlübersetzung eines in der eigenen Sprache ähnlichen Begriffs) erlagen: Während evidence im Englischen je nach Kontext die Bedeutungen ‚Beweis‘, ‚Beleg‘, ‚Hinweis‘ oder ‚Zeugenaussage‘ hat, ist die Bedeutung von Evidenz im Deutschen Offensichtlichkeit (die keines Beweises bedarf) (englisch: obviousness). Deshalb wurde vorgeschlagen, im Deutschen die Bezeichnung nachweisorientierte Medizin zu verwenden, was sich jedoch nicht durchgesetzt hat.[4] Im Jahre 2000 wurden „evidenzbasierte Leitlinien“ in das deutsche Sozialgesetzbuch (§§ 137e, 137f, 137g, 266 SGB V, Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten) eingeführt.[5][6]

Geschichte

Der folgende Textabschnitt basiert auf dem Artikel „Evidenzbasierte Medizin“ aus Wikipedia, gelesen am 19.9.18, und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist auf der vorgenannten Seite eine Liste der Autoren verfügbar. Textanpassungen und -änderungen sind möglich und wurden zum Teil nötig, weil die Darstellung in der Wikipedia nicht immer der Information, sondern der Verbreitung bestimmter Meinungen dient/e und/oder inhaltlich unvollständig, tendenziös oder verzerrt war/ist.

Die Idee der Evidenzbasierten Medizin lässt sich auf das in der zweiten Hälfte des im 18. Jahrhundert von britischen Ärzten entwickelte Konzept der medical arithmetic zurückführen.[7] Erstmals findet sich die Bezeichnung in dem 1793 publizierten Artikel An Attempt to Improve the Evidence of Medicine des schottischen Arztes George Fordyce.[8]

In Großbritannien wurde eine der ersten kontrollierten klinischen Studien durchgeführt. Schon 1753 veröffentlichte James Lind die Ergebnisse seines Versuchs, Skorbut mit Orangen und Zitronen zu behandeln. Im deutschsprachigen Bereich kommt dem in Wien tätigen ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis (1818–1865) die Erstautorschaft für die Einführung der „systematischen klinischen Beobachtung“ in die medizinische Forschung zu (1848).

Die Gründung der modernen EbM geht auf die Arbeitsgruppe um David Sackett im Department of Clinical Epidemiology and Biostatistics an der McMaster University in Hamilton, Kanada, zurück, wo David Sackett seit 1968 als Gründungsdirektor der Abteilung lehrte. Das 1967 erschienene Werk Clinical Judgement des amerikanischen Mediziners und Mathematikers Alvan R. Feinstein sowie das 1972 erschienene Buch Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health Services des britischen Epidemiologen ProfessorArchie Cochrane führten zu einer zunehmenden Akzeptanz klinischer Epidemiologie und kontrollierter Studien während der 70er und 80er Jahre und ebneten so den Weg für die institutionelle Entwicklung der EbM in den 90er Jahren. Cochranes Bemühungen wurden dadurch gewürdigt, dass ein internationales Netzwerk zur Wirksamkeitsbewertung in der Medizin – die Cochrane Collaboration – nach ihm benannt wurde. Cochrane selbst erlebte jedoch die Gründung der EbM-Bewegung nicht mehr und Feinstein entwickelte sich zu einem ihrer schärfsten methodologischen Kritiker.[9]

Gegenpositionen

Der folgende Textabschnitt basiert auf dem Artikel „Evidenzbasierte Medizin“ aus Wikipedia, gelesen am 19.9.18, und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist auf der vorgenannten Seite eine Liste der Autoren verfügbar. Textanpassungen und -änderungen sind möglich und wurden zum Teil nötig, weil die Darstellung in der Wikipedia nicht immer der Information, sondern der Verbreitung bestimmter Meinungen dient/e und/oder inhaltlich unvollständig, tendenziös oder verzerrt war/ist.

Als Kritik an der Evidenzbasierten Medizin werden aufgeführt:

  1. Die Evidenzbasierte Medizin stellt die Bedeutung randomisierter, kontrollierter Studien (RCTs) heraus, die zuverlässige Schlüsse auf Kausalzusammenhänge erlauben.[10] Kausalitäten können jedoch lange ungeklärt bleiben, wenn Evidenznachweise noch nicht vorliegen.
  2. In Beobachtungsstudien und anderen Forschungsdesigns – teilweise der einzige Weg, um Sachverhalte überhaupt oder mit ausreichend externer Validität zu untersuchen – werden oft Korrelationen verwendet, manchmal auch gesicherte Zusammenhänge. Um daraus Evidenz abzuleiten, bedarf es hinreichender statistischer Sicherheit. Diese werde nach Ansicht von Kritikern häufig formal nicht erreicht.
  3. Metaanalysen, die von Pharmafirmen gesponsert würden, seien oft falsch-positiv bewertet.[11] Es bedürfe eines Ausweises der kritischen Analyse solcher Metastudien.
  4. Mit methodologischen Erwägungen – insbesondere dem Problem der Heterogenität der Untersuchungsgegenstände – begründet Alvan R. Feinstein seine Kritik an der Technik der Metaanalyse als Quelle klinischer Evidenz.[12]
  5. Der Publikationsbias trägt dazu bei, dass Studien, bei denen negative Effekte erzielt werden, seltener veröffentlicht werden. Deshalb erzielen auch Metaanalysen, die nicht von Pharmafirmen gesponsert werden, oft falsch-positive Bewertungen.[13]
  6. Kritisiert wird die ideologische Überhöhung.[14][15] Vorlage:" (Wichert, 2005, S. 1569).
  7. Es wurde aus wissenschaftstheoretischer Sicht Kritik an dem der EbM zugrundeliegenden Evidenzkonzept geübt. Dieses sei dadurch problematisch, dass es keinen Raum biete für ein Element des „erklärenden Zusammenhangs“ (im Sinne Peter Achinsteins) zwischen der Evidenz und der zu beweisenden Hypothese. Ein solcher Zusammenhang wird postuliert, um logische Probleme probabilistischer Evidenzbegriffe zu umgehen.[16]

Kritik

Eine der wichtigsten Referenz-Institutionen für "Evidenz" in der konventionellen Medizin ist die Cochrane-Collaboration. Eine Studie gilt als glaubwürdig, wenn sie einen positiven Cochrane review erhalten hat.
Neuerdings wird die Objektivität und Vertrauenswürdigkeit dieser Instanz von kompetenter Stelle in Frage gestellt: Peter C Gøtzsche; Professor, Director des Nordic Cochrane Centre, MD, DrMedSci, MSc teilt in einem Brief vom 14.9.2018 mit, daß er aufgrund eines Minderheitsvotums aus dem Governing Board der Cochrane Collaboration entlassen worden sei, da er den Ruf der Organisation schädige. Daraufhin haben direkt 4 weitere führende Cochrane Führung-Mitglieder ihr Amt niedergelegt, so daß das Governing Board innerhalb eines Tages von 13 auf 8 Mitglieder geschrumpft ist.

Gøtzsche stellt in seinem Schreiben unter anderem folgendes fest: "This growing top-down authoritarian culture and an increasingly commercial business model that have been manifested within the Cochrane leadership over the past few years threaten the scientific, moral and social objectives of the organization. ... There is stronger and stronger resistance to say anything that could bother pharmaceutical industry interests. ... There has also been great resistance and stalling on the part of the central executive team to improving Cochrane´s conflict of interest policy. A year ago, I proposed that there should be no authors of Cochrane reviews to have financial conflicts of interests with companies related to the products considered in the reviews. This proposal was supported by other members of the Board, but the proposal has not progressed at all.  ....
Our work informs government legislation globally, it influences medical guidelines and drug approval agencies. Therefore, the integrity of the Cochrane Collaboration is paramount. We pride ourselves on being global providers of “trusted evidence” on a foundation of values such as openness, transparency and collaboration. However, in recent years Cochrane has significantly shifted more to a business - a profit-driven approach. Even though it is a not-for-profit charity, our “brand” and “product” strategies are taking priority over getting out independent, ethical and socially responsible scientific results. Despite our clear policies to the contrary, my centre, and others, have been confronted with attempts at scientific censorship, rather than the promotion of pluralistic, open scientific debate about the merits of concrete Cochrane reviews of the benefits and harms of health care interventions. ...
As most people know, much of my work is not very favourable to the financial interests of the pharmaceutical industry. Because of this Cochrane has faced pressure, criticism and complaints. My expulsion is one of the results of these campaigns.  
What is at stake is the ability of producing credible and trustworthy medical evidence that our society values and needs."[17]

In einfachen Worten zusammengefaßt stellt Peter C Gøtzsche, einer der Mitbegründer und renommiertesten Mitglieder der Cochrane Collaboration fest, daß die derzeitige Führung dieser weltweit tätigen Institution ihre Unabhängigkeit von industriellen Interessen verloren hat und Mitglieder, die darauf hinweisen oder Reviews und Gutachten schreiben, die unerwünschte Kritik enthalten, gemobbt werden.

Da dieser hier geschilderte Vorgang nur der Gipfel eines Eisberges ist und eine unübersehbare Anzahl von bereits erteilten Gutachten davon betroffen sein wird, muß die Zuverlässigkeit derselben generell in Zweifel gezogen werden. Der sogenannten Evidenzbasierten Medizin fehlt damit ein zentrales argumentatives Standbein.


Nachweise:

  1. Christopher Baethge: http://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=162409 Evidenzbasierte Medizin: In der Versorgung angekommen, aber noch nicht heimisch. In: Dtsch Arztebl. 111(39), 2014, S. A-1636 / B-1416 / C-1348.
  2. http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1590448,00.html Are Doctors Just Playing Hunches? Das Time Magazine über EbM (15. Februar 2007)
  3. Deutsches Netzwerk EbM: Chronik der EbM
  4. St. Bilger: http://books.google.de/books?id=yPr7dHvid7oC&pg=PA74&lpg=PA74&dq=evidenz+offensichtlichkeit&source=bl&ots=Ky25ZpPORv&sig=_fdyqCVhoI5AVvjlS06c43g4DwU&hl=de&ei=sLs0St35OsW4-Qb_-N2gDQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1 Evidence-based Medicine. In: Hans-Ulrich Comberg (Hrsg.): Allgemeinmedizin. 4. Ausgabe, Thieme 2004, ISBN 3-13-126814-X, S. 74.
  5. Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.: Chronik – Meilensteine 1998–2008
  6. § 137f SGB V
  7. William Black: Arithmetic and Medical Analysis of the Diseases and Mortality of the Human Species, London 1789.
  8. Zitiert bei U. Tröhler: To Improve the Evidence of Medicine. The 18th Century British Origins of a Critical Approach. Royal College of Physicians of Edinburgh, Edinburgh.
  9. Heinrich Weßling: Theorie der klinischen Evidenz – Versuch einer Kritik der evidenzbasierten Medizin. Lit, Wien 2011, ISBN 978-3-643-90065-4, S. 33–65.
  10. R. J. Little, D. B. Rubin: Causal effects in clinical and epidemiological studies via potential outcomes: concepts and analytical approaches. In: Annu Rev Public Health. Band 21, 2000, S. 121–145, Vorlage:ISSN. doi:10.1146/annurev.publhealth.21.1.121. PMID 10884949. (Review).
  11. V. Yank u. a.: http://www.bmj.com/content/335/7631/1202 Financial ties and concordance between results and conclusions in meta-analyses: retrospective cohort study. In: BMJ. 335(7631), 8. Dez 2007, S. 1202–1205. Kurzdarstellung in Deutsch: Tendenzielle Bewertungen von Metaanalysen. In: Deutsches Ärzteblatt. 104, 2007, S. A 3290. http://aerzteblatt.de/pdf/104/48/a3290.pdf
  12. H. Weßling: Theorie der klinischen Evidenz. Versuch einer Kritik der Evidenzbasierten Medizin. Lit-Verlag, 2012, ISBN 978-3-643-90065-4, S. 138–147.
  13. E. H. Turner, A. M. Matthews, E. Linardatos, R. A. Tell, R. Rosenthal: Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy. In: N. Engl. J. Med. Band 358, Nummer 3, Januar 2008, S. 252–260, ISSN 1533-4406
  14. P. v. Wichert: Evidenzbasierte Medizin (EbM): Begriff entideologisieren. In: Deutsches Ärzteblatt. 102(22), 2005, S. A-1569. (PDF)
  15. Arzneikommission der Deutschen Ärzteschaft (Hrsg.): Therapieempfehlungen: Evidenzbasierte Therapieleitlinien. 2., überarbeitete u. erw. Auflage. Deutscher Ärzte Verlag, Köln 2004, ISBN 3-7691-0446-3.
  16. Heinrich Weßling: Theorie der klinischen Evidenz – Versuch einer Kritik der Evidenzbasierten Medizin. Lit Verlag, 2012, ISBN 978-3-643-90065-4, S. 176 ff.
  17. Peter C Gøtzsche - A moral governance crisis: the growing lack of democratic collaboration and scientific pluralism in Cochrane; https://nordic.cochrane.org/sites/nordic.cochrane.org/files/public/uploads/moral_crisis_in_cochrane.pdf