Chlodwig I.: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 12. Mai 2019, 11:47 Uhr
Der folgende Textabschnitt basiert auf dem Artikel „Chlodwig I.“ aus Wikipedia, gelesen am 11.5.2019, und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist auf der vorgenannten Seite eine Liste der Autoren verfügbar. Textanpassungen und -änderungen sind möglich und wurden zum Teil nötig, weil die Darstellung in der Wikipedia nicht immer der Information, sondern der Verbreitung bestimmter Meinungen dient/e und/oder inhaltlich unvollständig, tendenziös oder verzerrt war/ist.
Chlodwig I. (auch Chlodowech, nach lateinisch Chlodovechus, romanisiert aus altfränkisch *Hlūdawīg oder *Hlōdowig, zusammengesetzt aus westgermanisch hlūd „laut, berühmt“ und wīg „Kampf“, also etwa „berühmter Krieger“[1]; fanzösisch und englisch Clovis ; * 466; † 27. November 511 bei Paris) war ein fränkischer König bzw. rex aus der Dynastie der Merowinger.
Er unterwarf alle anderen fränkischen reges sowie weitere germanische Stämme gewaltsam. Daher wird er als Begründer des Frankenreichs angesehen, zu dessen Hauptstadt er Paris machte. Seinen Übertritt zum Christentum vollzog er wohl nach seinem Sieg über die Alamannen in der Schlacht von Zülpich. Dieser Schritt war eine wichtige Weichenstellung für den weiteren Verlauf der mittelalterlichen Geschichte.
Als Herrscher in einer Umbruchszeit, dem es gelang, von einem fränkische Söldner (foederati) kommandierenden Heerkönig bzw. Warlord[2] zu einem faktisch unabhängigen Herrscher aufzusteigen, knüpfte Chlodwig einerseits an spätantike römische Traditionen an, in die er sich selbst einordnete, andererseits leitete er Entwicklungen ein, die zur Herausbildung der frühmittelalterlichen Verhältnisse beitrugen.
Leben
Aufstieg
Chlodwig war ein Sohn des fränkischen rex Childerich I. und dessen thüringischer Gemahlin Basena (Basina). Childerich hatte fränkische foederati befehligt und zumindest zeitweise in römischen Diensten gestanden. Oft wird angenommen, dass er wenigstens bedingt mit den römischen Militärbefehlshabern Aegidius und Paulus im nördlichen Gallien kooperiert hatte. Die Details sind allerdings unklar und umstritten, zumal in den wenigen Quellen zugleich ein Rivalitätsverhältnis zwischen Childerich und Aegidius – der sich 461 mit dem weströmischen Kaiser überworfen hatte – erkennbar ist. Childerich scheint jedenfalls eine nicht unbedeutende Machtposition in Nordgallien errichtet zu haben, die die Grundlage für seinen Sohn Chlodwig darstellte. Chlodwig folgte seinem Vater wahrscheinlich 481/82 als „Kleinkönig“ des Kriegerverbandes der Salfranken nach. Damals gab es noch andere fränkische regna (Herrschaftsgebiete) in diesem Raum, etwa in Cambrai und bei Köln. Chlodwig kontrollierte zu dieser Zeit ungefähr den Raum der (ehemaligen?) weströmischen Provinz Belgica secunda in den heutigen südlichen Niederlanden und dem nördlichen Belgien (Toxandrien um die Provinzhauptstadt Tournai). Wie sein Vater war er offiziell nur der „Verwalter“ (administrator) der Provinz; als Heerführer bzw. „König“ (rex) hingegen dürfte er zunächst nur gegenüber seinen Soldaten aufgetreten sein. In der neueren Forschung wird Chlodwig ähnlich wie andere zeitgenössische Militärführer immer öfter als ein warlord gesehen, also als ein Heerführer, der angesichts des faktischen Zusammenbruchs Westroms und nach dem Erlöschen der kaiserlichen Autorität in Gallien eine eigene Herrschaft etabliert habe, die sich zunächst noch in den formal weiterhin bestehenden politischen Rahmen des Imperium Romanum einordnete. Als nahezu sicher gilt dabei heute, dass sein Geschlecht, die Merowinger, keineswegs eine alte Herrscherdynastie war; ihre herausragende Stellung erlangte die Familie höchstwahrscheinlich erst um die Mitte des 5. Jahrhunderts.
Um 486 besiegte Chlodwig bei Soissons trotz fehlender Unterstützung seines Vetters Chararich, dafür aber mit Hilfe seines Verwandten Ragnachar, Syagrius, den Sohn des Aegidius und den letzten gallo-römischen Heerführer in Gallien. Dieser Sieg erweiterte die merowingische Herrschaft um den größten Teil des Gebietes nördlich der Loire, doch sind Einzelheiten nicht überliefert; es wird vermutet, dass die reges bzw. warlords Syagrius und Chlodwig vor allem um die Kontrolle der letzten weströmischen Heeresgruppe in Nordgallien rivalisiert hätten, doch lässt sich dies nicht beweisen. Chlodwig konnte jedenfalls die von seinem Vater übernommene Machtstellung im nördlichen Gallien erheblich ausbauen. Syagrius, der zunächst ins Westgotenreich geflüchtet war, wurde zu einem nicht genauer datierbaren Zeitpunkt an Chlodwig ausgeliefert und hingerichtet. Zu beachten ist dabei, dass Chlodwig keineswegs nur fränkische Kämpfer befehligte, sondern auch Soldaten anderer Herkunft, darunter nach Auskunft des Geschichtsschreibers Prokopios von Caesarea eben auch große Teile der einstigen römischen Grenzarmee Nordgalliens (Historien 5,12,12–19).
Viel Beachtung findet in der Forschung[3] der ein Jahrhundert später verfasste Bericht des Geschichtsschreibers Gregor von Tours, der wichtigsten erzählenden Quelle hinsichtlich Chlodwigs Regierungszeit, über die Beuteverteilung nach dem Sieg bei Soissons. Demnach hatten Chlodwigs Männer bei der Plünderung einer Kirche einen großen und kostbaren Krug erbeutet. Der Bischof, dessen Kirche der Krug gehörte, bat Chlodwig um Rückgabe. Der König stimmte grundsätzlich zu, wies aber darauf hin, dass er dies nicht eigenmächtig entscheiden könne, da die Beute öffentlich durch das Los verteilt werden musste. Bei der Heeresversammlung bat er die versammelten Krieger, ihm den Krug zu überlassen, scheiterte aber am Widerstand eines einzigen einfachen Kriegers, der auf Verlosung bestand und den Krug demonstrativ zerschlug. Chlodwig musste dies, so Gregor, hinnehmen. Erst im folgenden Jahr rächte er sich, wiederum auf einer Heeresversammlung, indem er den Mann unter dem Vorwand, er habe seine Ausrüstung vernachlässigt, vor dem versammelten Heer erschlug. Der Vorfall zeigt nach Ansicht der älteren Forschung, dass sich damals noch jeder waffenfähige freie Franke dem König öffentlich mit Erfolg widersetzen konnte, indem er sich auf geltendes Recht berief (Widerstandsrecht). Andere Historiker sind hingegen skeptisch, was die Zuverlässigkeit von Gregors Bericht betrifft, und überdies geben sie zu bedenken, dass Chlodwigs Armee damals derart heterogen und romanisiert war, dass man nicht ohne weiteres annehmen kann, dass in ihr fränkisch-germanische Traditionen dominierten.
Wohl 492 heiratete Chlodwig die burgundische Prinzessin Chrodechild. Laut Gregor bemühte sie sich früh darum, ihren Mann zur römischen Reichskirche zu bekehren.
In der Schlacht von Zülpich im Jahre 496 besiegte Chlodwig die Alamannen zum ersten Mal, 506 zum zweiten und entscheidenden Mal. Daneben einte er die Franken und Gallorömer schrittweise unter seiner Herrschaft. Er schaltete Sigibert von Köln, dessen Sohn Chloderich sowie seine Verwandten Chararich und Ragnachar aus und beseitigte sie. Die Chronologie dieser Vorgänge ist unsicher.
Christianisierung
Nach dem Sieg bei der Schlacht von Zülpich (westlich von Köln und Euskirchen) konvertierte Chlodwig zum römischen Christentum. Zu Weihnachten wurde er von Bischof Remigius in Reims getauft. Das Jahr der Taufe ist bis heute in der Forschung umstritten, da die Quellenaussagen nicht genau sind; am wahrscheinlichsten sind die Jahre 497, 498 oder 499, aber auch 507 wurde in Betracht gezogen.
Die Taufe wird in drei Quellen erwähnt: In einem Glückwunschschreiben des Bischofs Avitus von Vienne, in einem Brief des Bischofs Remigius von Reims und in dem (allerdings erst Ende des 6. Jahrhunderts entstandenen) Geschichtswerk des Gregor von Tours. In den Quellen werden zwei Motive für den Übertritt Chlodwigs zum Christentum genannt. Das eine war der christliche Königsgedanke. Die germanischen Könige waren in seinem Amt auch durch seine vermeintliche Abstammung von den heidnischen Göttern legitimiert. Diese Abstammungslegitimation und damit die Verbindung zu seinen heidnischen Vorfahren musste Chlodwig aufgeben, als er Christ wurde. Stattdessen wurde dem König verheißen, er werde einst im Himmel mit seinen Nachkommen herrschen. Dadurch wurde ein christliches Königtum begründet, das auch die Pflicht des Königs zur Mission einschloss. Das zweite Motiv war dasjenige des stärkeren Gottes (Sieghelfermotiv). Das Bekenntnis zum Christentum sollte dem König den Beistand Gottes in der Schlacht sichern. In diesem Sinne berichtet Gregor von Tours, dass Chlodwig sich für das Christentum entschied, nachdem der christliche Gott ihm in der Schlacht von Zülpich die erbetene Hilfe gewährt hatte, während er von seinen bisherigen Göttern solchen Beistand vergeblich erhoffte. Eine Rolle spielte wohl auch der Einfluss seiner zweiten, der römischen Kirche anhängenden Frau Chrodechild.
Chlodwig verlangte vom Bischof von Rom angeblich einen Preis für seine Bekehrung. Es soll vertraglich festgelegt worden sein, dass die Besetzung aller geistlichen Ämter von einer fränkischen Synode unter dem Vorsitz des Königs bestimmt werden sollte und die Geistlichen dem König steuerpflichtig waren. Dabei handelte es sich um eine Kirchenordnung in der Art des germanischen Eigenkirchenwesens, also eine stark vom Willen des Königs abhängige Kirche mit einer gewissen Eigenständigkeit gegenüber Rom. Auf diese Tradition beriefen sich die französischen Könige im Spätmittelalter, wenn sie eine Sonderstellung für die katholische Kirche Frankreichs im Sinne des Gallikanismus forderten. Daher nehmen viele Gelehrte an, dass es sich bei der angeblichen Einigung zwischen Chlodwig und dem Papst um eine spätere Erfindung im Interesse des Gallikanismus handelt. Ebenso ist die bei Gregor von Tours beschriebene anti-arianische Haltung des Königs wohl übertrieben dargestellt. Es wird sogar vermutet, dass es bei Chlodwig zunächst eine wohl politisch motivierte arianische Phase gegeben habe, welche nach seiner „katholischen“ Taufe vom Hofklerus stillschweigend übergangen worden sei.[4] Chlodwig kooperierte bereits vor seiner Taufe mit den römischen Bischöfen Galliens.
Auch innenpolitische Erwägungen sprachen für den Übertritt, da damit Spannungen zwischen der christlich-romanischen Mehrheitsbevölkerung und den bis dahin heidnischen Franken verringert wurden. Große Bedeutung hatte die Taufe Chlodwigs auch für die weitere Geschichte Europas, da das Fränkische Reich, aus dem Jahrhunderte später Frankreich und Deutschland hervorgehen sollten, mit seinem Übertritt christianisiert wurde. Anders als in der römischen Antike, wo die Taufe die Zuwendung eines Einzelnen zum Christentum bedeutete, fanden im germanischen Bereich sowie später im Frühmittelalter Taufen oft im Stammesverband, also kollektiv statt. Nach dem Bericht Gregors von Tours befragte Chlodwig vor seiner Taufe die Großen und das Volk. Als diese zustimmten, ließ er sich mit angeblich 3000 Franken taufen. Allerdings wird sich der Christianisierungsprozess der Franken tatsächlich erst allmählich vollzogen haben. Zahlreiche heidnische Bräuche hielten sich noch längere Zeit; so berichtet etwa der zeitgenössische oströmische Geschichtsschreiber Prokopios (Historien 6,25) von heidnischen Menschenopfern der Franken bei einem Kriegszug nach Italien 539.
Folgenreich war auch Chlodwigs Entscheidung, das Christentum in der vom römischen Bischof vertretenen „katholischen“ Lehre anzunehmen: Anders als die Könige der allermeisten anderen germanischen Nachfolgereiche auf dem Boden des früheren Weströmischen Reiches, insbesondere der West- und Ostgoten, aber auch der Burgunder und Vandalen, die den christlichen Glauben in der Form des Arianismus angenommen hatten, bekannte sich Chlodwig zur Reichskirche des Römischen Reichs, das heißt zum athanasischen Glauben der römischen Kirche, die den Glauben der Arianer in den Jahren 325 und 381 verworfen hatte. Dies war von entscheidender Bedeutung, da im Merowingerreich fortan auch keine konfessionelle Barriere zwischen den neugetauften Franken und der gallorömischen Bevölkerungsmehrheit bestand, was mittelfristig eine Vermischung von Franken und Romanen ermöglichte. Und als 519 das erste Schisma zwischen Konstantinopel und Rom beigelegt wurde, befanden sich Chlodwigs Erben zudem in Kommunion mit dem oströmischen Kaiser, was erhebliche außenpolitische Vorteile mit sich brachte. Kirchengeschichtlich war dies, rückblickend betrachtet, der Anfang vom Ende des Arianismus im Westen. Die arianischen Westgotenkönige konvertierten gegen Ende des 6. Jahrhunderts zum römischen Christentum, nachdem die Reiche der arianischen Vandalen und Ostgoten um die Mitte des Jahrhunderts im Kampf gegen den oströmischen Kaiser Justinian untergegangen waren und die Franken das Burgunderreich erobert hatten.
Spätzeit
Chlodwigs Sieg über den westgotischen rex Alarich II. von Tolosa (Toulouse) in der Schlacht von Vouillé (507) brachte den größten Teil Galliens unter seine Herrschaft. Sein weiterer Vorstoß ans Mittelmeer wurde jedoch 508 von den Ostgoten unter Theoderoich dem Großen vereitelt. Daher blieb die heutige Provence noch bis in die 530er Jahre gotisch, und Septimanien, ein Küstenstreifen in Südwestfrankreich um Narbonne, blieb sogar noch deutlich länger unter gotischer Herrschaft. 509 eroberte Chlodwig dafür das rheinfränkische Reich und vereinigte damit die bislang getrennten größten Einzelgruppen der Franken.
Chlodwig legte größten Wert auf die Anerkennung seiner Position durch den oströmischen Kaiser, der noch immer als nomineller Oberherr auch des Westens galt. Sie wurde ihm 508 von Kaiser Anastasius gewährt, laut Gregor (Historien 2,38) durch die Ernennung zum „Konsul“; doch spricht vieles dafür, dass der Franke in Wahrheit zum patricius erhoben wurde.[5] Trifft dies zu, so wurde der Merowinger damit rangmäßig den Ostgotenkönigen gleichgestellt und erhielt quasi die Vollmachten eines kaiserlichen Stellvertreters. Chlodwig und seine Nachfolger übernahmen jedenfalls bewusst zentrale Elemente der spätrömischen Verwaltung – so gab es im 6. Jahrhundert am Merowingerhof noch immer das römische Amt des magister officiorum – und Herrschaftsrepräsentation, wobei sie sich der alten gallorömischen Eliten bedienten. Sie traten gegenüber der romanisierten Bevölkerung, vor allem gegenüber den Aristokraten im 507 eroberten Südgallien, noch lange als Repräsentanten des Kaisers auf. In der neueren Forschung (Patrick J. Geary, Guy Halsall u. a. m.) wird sogar vermutet, dass es 506/7 zu einem regelrechten Kampfbündnis zwischen Chlodwig und Anastasius gekommen war: Der Franke sei vielleicht erst in diesem Zusammenhang zum römischen Glauben übergetreten und habe jedenfalls oströmische Unterstützung beim Angriff auf die arianischen Westgoten erhalten, indem eine kaiserliche Flotte das ostgotische Italien angegriffen und so Theoderich an wirkungsvoller Unterstützung für Alarich II. gehindert habe. Die Quellenlage macht es zwar unmöglich, diese Hypothese weiter zu untermauern, doch dass die Beziehungen zwischen den Merowingern und Ostrom sehr gut waren, ist kaum zu bestreiten. Erst um 540, dreißig Jahre nach Chlodwigs Tod, hörte man damit auf, das Bild des Kaisers auf die Goldmünzen zu setzen, und noch um 580 schilderte der oströmische Geschichtsschreiber Agathias die Franken sehr positiv: Sie würden sich im Grunde nur durch ihre Sprache und einige Besonderheiten ihrer Tracht von den Römern unterscheiden (Historien 1,2,4).
Tod und Nachfolge
Chlodwig starb 511 und wurde im sacrarium der Apostelkirche in Paris, der späteren Kirche Sainte-Geneviève, begraben. Nach seinem Tod teilten seine vier Söhne, wie er es verfügt hatte, die Herrschaft untereinander auf, ohne damit allerdings formal unabhängige Reiche zu gründen. Es waren Theuderich, der Sohn seiner ersten Ehefrau, einer vornehmen Fränkin, sowie Chlodomer, Childebert und Chlothar, die drei Söhne Chrodechilds. Sie gründeten vier eigene Königshöfe in Metz/Reims, Orléans, Paris und Soissons. Die neuere Forschung (Patrick J. Geary u. a.) hat betont, dass diese administrative Aufteilung der Herrschaft auf mehrere Höfe innerhalb eines formal weiterhin ungeteilten Reiches nicht etwa, wie man noch immer oft liest, an germanisch-fränkische, sondern vielmehr an spätantike römische Vorbilder anknüpfte: Seit Konstantin dem Großen waren Kaiser, die mehr als einen Sohn hatten, analog verfahren, während die Existenz entsprechender germanischer Traditionen nicht zuverlässig belegt ist.
Rezeption
Im Spätmittelalter wurde Chlodwig in einigen französischen Kirchen als Heiliger verehrt (Saint Clovis), obwohl eine offizielle Heiligsprechung nie erfolgte. Zugleich wurden seine militärischen Erfolge gepriesen und teils phantasievoll ausgeschmückt. Französische Geschichtsschreiber betonten, dass er für den christlichen Glauben gekämpft habe; daher habe er seine Siege mit Gottes Hilfe errungen. Im 14. und 15. Jahrhundert zeichnete die französische Geschichtsschreibung von ihm das Bild eines idealen Königs und vorbildlichen Christen. Man beschrieb ihn als ehrlich, gütig und keusch und verglich ihn mit Karl dem Großen, der ein zweiter Chlodwig gewesen sei. Weit verbreitet war die Legende, der zufolge er als erster europäischer König die Herrschersalbung empfing; die Ampulle mit dem heiligen Salböl sei vom Himmel herabgesandt worden. Angeblich trug sein Schild bereits die Lilien des späteren (kapetingischen) Königswappens.[6] Einen Gipfel der Clodwig-Verehrung erklommen die französischen Könige seit dem 14. Jahrhundert, als sie sich selbst unter historisch-genealogischem Bezug auf Clodwig und dessen Konversion zum Katholizismus den Ehrentitel „Allerchristlichster König“ gaben.
Seit dem Mittelalter wird Chlodwig in Frankreich in weiten Kreisen als früher französischer König, ja als Begründer der französischen Nation betrachtet. Man bezeichnet ihn traditionell als den ersten französischen König der première race (‚erstes Geschlecht‘), also der Merowinger. Als zweites französisches Königsgeschlecht gelten die Karolinger, als drittes die Kapetinger.[7] Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Frankreich und Deutschland erst viel später durch die Trennung in West- und Ostfränkisches Reich entstanden sind, dass Chlodwigs Mutter thüringischer Abstammung war, ein Onkel in Köln residierte und er selbst mit Westfränkisch einen germanischen Dialekt sprach und daneben vermutlich Latein.
In Deutschland gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine analoge Tendenz, aus Chlodwig einen deutschen Herrscher auf gallischem Boden zu machen, was im Rahmen einer schon im 19. Jahrhundert verbreiteten Gleichsetzung von ‚germanisch‘ mit ‚deutsch‘ geschah. So veröffentlichte 1933 der prominente Mediävist Bruno Krusch eine Arbeit mit dem Titel Die erste deutsche Kaiserkrönung in Tours Weihnachten 508, womit er auf die Ernennung Chlodwigs zum römischen Ehrenkonsul bzw. patricius Bezug nahm, die als Verleihung eines quasi-kaiserlichen Rangs zu deuten sei, da Gregor von Tours (nach Ansicht der meisten heutigen Forscher allerdings irrtümlich) behauptet, der Franke habe sich seither Augustus nennen lassen.[8]
Eine Gedenktafel für Chlodwig fand Aufnahme in die Walhalla bei Regensburg. Der Komponist Antonio Caldara widmete Chlodwigs Bekehrung zum Christentum die Oper La Conversione di Clodoveo, Rè di Francia.
Quellen
- Gregor von Tours, Historiae II 9, 12, 27–32, 35–42; III 1, 31 (Hauptquelle, allerdings nicht unproblematisch)
- Fredegar, Chronica II 58; III 12, 15, 18–29
- Liber Historiae Francorum 6, 7, 9–12, 14–19
- Anonymus Valesianus 12, 63
- Marius von Avenches, Chronica, Jahr 500
- Auctarium Prosperi Hauniensis, Jahr 498
- Chronica Caesaraugustana, Jahr 507
- Cassiodor, Variae II 40, 41; III 1–4
- Avitus von Vienne, Epistulae 46
- Epistulae Austrasiacae 1 and 2
- Anastasius II., Epistulae 2 (hrsg. von Andreas Thiel[9])
- Agathias, Historiae I 2
- Prokopios von Caesarea, Bellum Gothicum I 12
Sammlung:
- Reinhold Kaiser, Sebastian Scholz: Quellen zur Geschichte der Franken und der Merowinger. Vom 3. Jahrhundert bis 751. Kohlhammer, Stuttgart 2012, ISBN 3-17-022008-X.
Literatur
Überblicksdarstellungen
- Matthias Becher: Merowinger und Karolinger. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-15209-4 (Rezension bei H/Soz/Kult).
- Patrick J. Geary: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen (= Beck’sche Reihe. Bd. 1507). Zweite Auflage. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-49426-9.
- Dieter Geuenich (Hrsg.): Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/497) (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsband 19). de Gruyter, Berlin und New York 1998, ISBN 3-11-015826-4.
- Mischa Meier, Steffen Patzold (Hrsg.): Chlodwigs Welt. Organisation von Herrschaft um 500. Steiner, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-515-10853-9 (umfangreiche Sammlung von Fachbeiträgen).
- Sebastian Scholz: Die Merowinger. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-022507-7.
- Erich Zöllner: Geschichte der Franken bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Auf der Grundlage des Werkes von Ludwig Schmidt unter Mitwirkung von Joachim Werner neu bearbeitet. Beck, München 1970, ISBN 3-406-02211-1 (älteres Standardwerk zur fränkischen Frühgeschichte).
Biographien
- Matthias Becher: Chlodwig I. Der Aufstieg der Merowinger und das Ende der antiken Welt. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61370-8 (erste deutschsprachige Chlodwig-„Biographie“; Rezension bei H/Soz/Kult).
- Béatrice Chevallier: Clovis. Un roi européen (= Perspectives européenes d’histoire). Brepols, Paris 1996, ISBN 2-503-83101-X.
- Godefroid Kurth: Clovis. Zwei Bände. Dritte Auflage, Dewit, Brüssel 1923.
- Adolf Lippold: Chlodwig (Chlodovechus). In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband XIII, Stuttgart 1973, Sp. 139–174.
- Michel Rouche (Hrsg.): Clovis. Histoire et mémoire. Actes du Colloque International d’Histoire de Reims. Zwei Bände. Presses de l’Université de Paris-Sorbonne, Paris 1997, ISBN 2-84050-079-5.
- Jean Verseuil: Clovis ou la naissance des rois (= L’histoire en tête – Les grandes familles). Critérion, Paris 1992, ISBN 2-7413-0046-1.
Lexikonartikel und biographische Skizzen
- Hans Hubert Anton, Wolfgang Jungandreas: Chlodwig. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 4, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1981, ISBN 3-11-006513-4, S. 478–485.
- Frank Martin Ausbüttel: Germanische Herrscher. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-89678-603-6, S. 121–136
- Peter Classen: Chlodwig I. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 208 f. (Digitalisat).
- Eugen Ewig: Chlodwig I. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 2, Artemis & Winkler, München/Zürich 1983, ISBN 3-7608-8902-6, Sp. 1863–1868.
- Peter Classen: Chlodwig I. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 208 f. (Digitalisat).
- Bernhard Jussen: Chlodwig und die Eigentümlichkeiten Galliens. Ein Warlord im rechten Augenblick. In: Mischa Meier (Hrsg.): Sie schufen Europa. Historische Portraits von Konstantin bis Karl dem Großen. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55500-8, S. 141–155. (Jussen versteht Chlodwig in erster Linie als spätrömischen warlord, der sich im Kampf mit anderen Militärführern gewaltsam einen eigenen Machtbereich schuf.)
Spezialliteratur
- William M. Daly: Clovis: How Barbaric, How Pagan? In: Speculum 69 (1994) 619–664.
- Guy Halsall: Childeric's grave, Clovis' succession, and the origins of the Merovingian kingdom. In: Ralph W. Mathisen, Danuta Shanzer (Hrsg.): Society and Culture in Late Antique Gaul. Revisiting the Sources. Ashgate, Aldershot 2001, ISBN 0-7546-0624-4, S. 116–133.
- Ralph Whitney Mathisen: Clovis, Anastasius, and Political Status in 508 C.E. The Frankish Aftermath of the Battle of Vouillé. In: Ralph Whitney Mathisen (Hrsg.): The Battle of Vouille, 507 CE. Where France began (= Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., Bd. 37). De Gruyter, Boston und Berlin 2012, ISBN 978-1-61451-127-4, S. 79–110.
- Wolfram von den Steinen: Chlodwigs Übergang zum Christentum. Eine quellenkritische Studie In: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung – Ergänzungsbände 12, 1932, S. 417–501. Separatdruck: dritte unveränderte Auflage, Darmstadt 1969.
Weblinks
- Commons: Chlodwig I. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Literatur von und über Chlodwig I. im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Gleichbedeutend sind der deutsche Name Ludwig sowie das französische Louis; vgl. die Einträge *Hlōdowig, Louis und Ludwig im englischen Wiktionary.
- ↑ So die Charakterisierung durch Bernhard Jussen: Chlodwig und die Eigentümlichkeiten Galliens. Ein Warlord im rechten Augenblick. In: Mischa Meier (Hrsg.): Sie schufen Europa. Historische Portraits von Konstantin bis Karl dem Großen. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55500-8, S. 141–155.
- ↑ Eine knappe Forschungsübersicht bietet Werner Hechberger: Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, Ostfildern 2005, S. 115f. Siehe auch Heike Grahn-Hoek: Die fränkische Oberschicht im 6. Jahrhundert, Sigmaringen 1976, S. 141f.
- ↑ Friedrich Prinz: Grundlagen deutscher Geschichte (4.–8. Jahrhundert). Gebhardt: Handbuch der Deutschen Geschichte. Band 1, zehnte Auflage, Stuttgart 2001, S. 296; Allain Dierkens: Die Taufe Chlodwigs. In: Die Franken – Wegbereiter Europas. Vor 1500 Jahren: König Chlodwig und seine Erben. Mainz 1996, S. 188. Einen knappen Überblick bezüglich der Forschung gibt Reinhold Kaiser: Das Römische Erbe und das Merowingerreich. München 2004, S. 89f.
- ↑ Vgl. Matthias Becher: Chlodwig I., München 2011, S. 236f.
- ↑ Zur mittelalterlichen Chlodwig-Rezeption siehe Colette Beaune: The Birth of an Ideology, Berkeley 1991, S. 70–89; Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln 1990, S. 58.
- ↑ Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln 1990, S. 18.
- ↑ Siehe dazu Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln 1990, S. 20.
- ↑ Andreas Thiel: Epistolae Romanorum Pontificum genuinae et quae ad eos scriptae sunt a S. Hilaro usque ad Pelagium II. Teil 1. Braunsberg 1868 (Digitalisat).